Johanna Zambonins Hebammenkoffer
Pressetext: Ein spezieller Blechkoffer

In der Wohnung von Johanna Zambonin-Diener aus Wernetshausen stand dieser Koffer aus Weissblech wohl stets griffbereit. Er enthält alles, was sie für ihre Aufgabe als Hebamme brauchte. Bestimmt achtete sie sorgfältig darauf, dass der vorgeschriebene Inhalt vollständig und sauber blieb. Heute steht der Koffer in der Schlafkammer des Ortsmuseums Hinwil, zusammen mit zahlreichen Unterlagen aus der Tätigkeit von Johanna Zambonin.
Sie führte genau Buch über die Geburten und ihre Aufzeichnungen aus den Jahren 1891 bis 1912 zeigen, dass sie jedes Jahr rund 25 Kindern auf die Welt half. Historiker Markus Brühlmeier, Autor der Hinwiler Ortsgeschichte von 1995, widmete dem Thema Geburtshilfe ein besonderes Kapitel. «Die Hebamme hielt jeweils auch fest, was die Mütter arbeiteten. Das macht ihre Notizen besonders aufschlussreich», meint er dazu.

Während ihrer sechsmonatigen Ausbildung in Zürich füllte Johanna Zambonin mehrere Hefte mit Texten und Zeichnungen zum Unterrichtsstoff. Nachdem sie die Schlussprüfung erfolgreich absolviert hatte, setzte sie ihre Aufzeichnungen mit Erkenntnissen aus der Praxis fort – auch mit denen aus ihren eigenen Schwangerschaften. Damit wappnete sie sich gegen Überraschungen, die sie in ihrem beruflichen Alltag erwarteten und äufnete gleichzeitig ihr grösstes Kapital: Professionelle Erfahrung.
Das Buch, das in keiner Gemeinde fehlen durfte
Gut 100 Jahre bevor Johanna Zambonin ihre Ausbildung absolvierte, veröffentlichte der Zürcher Arzt Hans Kaspar Hirzel sein Standardwerk «Lesebuch für das Frauenzimmer über die Hebammenkunst». Es richtete sich an Hebammen, die er in einem zwölfwöchigen Kurs ausbildete. Er war der erste Zürcher Hebammenlehrer und plädierte für gesunde Ernährung, Hygiene und Selbststillen. Die Regierung wünschte damals, dass jede Gemeinde eine Ausgabe des Buches anschaffe. Das Hinwiler Exemplar steht heute im Archiv Ortsgeschichte.
Nach der Frauengemeinde konnte es heiter werden

Gewählt wurden die Hebammen noch im 19. Jahrhundert durch die Frauengemeinde, eine Versammlung von verheirateten Frauen. Am Schluss der Versammlung folgte jeweils ein Umtrunk auf Kosten der Gemeindekasse. Weil es dabei offenbar ausgesprochen fröhlich zugehen konnte, begrenzten die Männer den Frauen die entsprechenden Ausgaben.
Dieser Text von Mark Plüss erschien in der Zeitungsbeilage Regio im September 2025.