Gebrüder Forster und Emil Forster AG (1920–2018)
Über 90 Jahre hat die Firma Forster Stanzwerkzeuge und Stanzteile anfangs für die Textilindustrie, später für die Automobil- und Maschinenindustrie hergestellt. Die grosse Leidenschaft der beiden Brüder in jungen Jahren galt der Herausforderung, Motorräder mit all den dazu benötigten Werkzeugen und Gussmodellen herzustellen.
Vorgeschichte der Gebrüder Jakob und Emil Forster (1920–1960)
1891 Jakob Forster (1891–1971) absolviert eine Lehre als Mechaniker. Er bildet sich bei verschiedenen Unternehmen weiter aus zum Werkmeister. Zu seinen Begabungen gehört das Zeichnen und die Entwicklung von Maschinen. Er tritt bei der Maschinenfabrik Hinwil AG als Werkmeister ein.[1] Die Fabrik ist das erste industrielle Grossunternehmen in Hinwil, welches Maschinen jeglicher Art herstellt und vertreibt. Gegründet wird die Firma am 27. August 1916 durch Jakob Reimann und Fritz Moser.[2]
1898 Emil Forster (1898–1980) arbeitet nach der Schule in der Webschützenfabrik Diggelmann im Letten Wernetshausen. Sein sieben Jahre älterer Bruder Jakob verschafft Emil eine Lehrstelle in der Fabrique Suisse de Vis et Boulons in Yverdon, in der er als Meister tätig ist. Nach Abschluss seiner Lehre tritt Emil ebenfalls in die Maschinenfabrik Hinwil AG ein.[1]
Chronologie der Firma Gebrüder Forster Hinwil (1920–1960)
1920 Am 1. März wird die Firma der Gebrüder Forster gegründet. Die beiden Brüder eröffnen zusammen mit Karl Kerschbaum im elterlichen Stickereigebäude an der Bachtelstrasse 36 eine mechanische Werkstätte. Sie bringen einen Pneumontierapparat auf den Markt. Aber die Herausforderung und ihr Interesse an der Herstellung von Motorrädern ist grösser.[3]
1923 Das Kleinmotorrad Modell 1¾ PS mit 140 ccm wird gebaut und steht zum Verkauf bereit. Unklar ist, ob alle 50 Motorräder verkauft werden können.[4]
1924 Die Produktion von Webschützenklemmen, am Anfang im Auftrag von Otto Honegger, Mitinhaber der Webschützenfabrik Gebrüder Honegger, beginnt.[5]
1925 Ein stärkeres Motorrad kommt auf den Markt mit 2¼ PS und 200 ccm. Dieses Modell ist anspruchslos, robust und günstig im Benzinverbrauch.[4]
1931 Das letzte Motorrad wird ausgeliefert. Das Resultat dieser Töff–Epoche ist ein Schuldenberg von 250'000 Franken, davon 95'000 Franken bei der Embru in Rüti. Die Motorradproduktion wird aus Geldmangel aufgegeben. Insgesamt sind von allen Motorradtypen etwa 400 Stück hergestellt worden.[6]
1934 Für die Kriegstechnische Abteilung des Militärdepartementes (KTA) werden Geschossköpfe und Kopfschrauben hergestellt.[7]
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Certa-Bindung
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Certa-Bindung von oben
1935 Immer wieder suchen die Brüder nach Artikeln, die sie herstellen und verkaufen können. Bis 1938 produzieren sie die Skibindung Certa. Für die Firma Saurer in Arbon werden Scheibenaussteller und Kühlerrouleaux für Lastwagen hergestellt. Bis in die Mitte der 1970er Jahre werden Schlösser (Omnibus–Schlösser genannt) für Autocars hergestellt.[8]
1941 Die Herstellung von Kugellagerhülsen und Muttern der Firma Schmid–Rost Oerlikon (SRO) wird ins Fabrikationsprogramm aufgenommen.[9]
1942 Die Embru–Werke in Rüti erteilen den Gebrüdern Forster Bearbeitungsaufträge, um die Schulden abzutragen. Sie stellen Schultisch–Getriebe her, mit welchen die Tischhöhe verstellt werden kann. Während des zweiten Weltkrieges wird aus Schönau–Chemnitz (D) eine Universalfräsmaschine angeschafft, Kosten 8 556.10 Reichsmark.[10]
1950 Viele Maschinen füllen die Werkstatträume. Alle Sparten laufen gut, die SRO–Hülsen, die Webschützenklemmen, die Embru–Schultischgetriebe, verschiedene Teile für die Bührer–Traktorenfabrik und Geschossköpfe für den Bund.[11]
1960 Die Gebrüder Forster trennen sich. Jakob Foster führt die Firma nun als Jakob Forster, Maschinen– und Vorrichtungsbau an der Bachtelstrasse weiter.[12]
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Chronologie der Firma Emil Forster AG (1960–2018)
1960 An der Unteren Bahnhofstrasse erstellt Emil Forster, neu Emil Forster AG, einen Firmenneubau mit einer mechanischen Abteilung und produziert Textilmaschinenzubehör. In den 1960er Jahren kann hier die Produktion von Webschützenklemmen für viele europäische Staaten erweitert werden. Die Klemmen bleiben für viele Jahre der Haupterwerbszweig.[12]
1970 Zur Herstellung von Klemmfedern kann eine Anlage nach Timisoara (Rumänien) geliefert und verkauft werden. Der Gewinn dieses Verkaufes wird in den Landerwerb und später in den Bau eines Mehrfamilienhauses im Wihaldenquartier Wihaldenstrasse 12 investiert.[13]
1970 In den 1970er Jahren ist die Firma immer wieder bestrebt, neue Artikel und Produkte zu finden, welche hergestellt werden könnten. Leider mit mehr oder weniger Erfolg: Bürstenmaschinen zur Reinigung von Laborgeräten, elektrische Autozündungen für den nachträglichen Einbau, Antriebe für die Kopf– und Fussverstellung von Pflegebetten, Krallixkrallen, mit der zwei Holzstücke wie mit einer Agraffe zusammengefügt werden können, Blachenösen (zum Beispiel für Militärblachen), Einfädler für Webschützen aus Kunststoff (nicht wie bisher aus Stahlblech), Lenkgabeln für Spitalbetten. [14]
1975 Die Herstellung von Aluminiumbeschlägen für Glastüren in Zusammenarbeit mit der Firma Temperit AG dauert bis 1988.[15]
1980 Mit der Abnahme der Klemmenaufträge wird die Arbeit in der Härterei weniger. Nun können erfolgreich Feinstanzteile für die Firma Feintool in Lyss produziert werden. Ab 1982 werden für die Firma Spirella Abdeckungen für die Befestigung von Vorhangstangen (Duschvorhänge) hergestellt. Von den Hinwiler Firmen Belimo und Ferag kommen Aufträge für Stanzartikel.[15]
1998 Die Klemmenproduktion wird eingestellt und die Maschinen zu deren Herstellung nach Indonesien transportiert. [16]
1999 Daniel Schärer und Barbara Schnyder übernehmen im Rahmen eines Management-Buy-out die Emil Forster AG. Mit 30 Mitarbeitern werden Teile für die Bau-, Automobil- und Maschinenbranche in den Bereichen Konstruktion, Werkzeugbau, Stanzen, Härten und Gleitschleifen ausgeführt. Ein Beispiel sind die Sparschäler und die Käsereiben, die bei der Emil Forster AG entwickelt werden und mehrere Desingpreise erhalten.[17]
2001 Am 15. Januar ist der Spatenstich für die Erstellung einer neuen Stanzhalle. Am 1. Juli kann die Produktion aufgenommen werden. Durch die Anschaffung der neuen 160-Tonnen-Stanzmaschine können grössere Folgeschnittwerkzeuge aufgespannt werden. Diese haben eine geringere Umrüstzeit, da die Presse mittels Computer gesteuert wird.[18]
2018 Ende Jahr wird die Emil Forster AG aufgelöst. Der Geschäftsführer Daniel Schärer kann die Firma aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weiterführen. Es sind 40 Mitarbeiter von der Schliessung betroffen.[19]
Siehe auch
- Objekt:Holzskis Heusser mit Certa-Bindung der Firma Gebrüder Forster
- Bachtelschanze in Orn Sprungrichterturm
- Honegger, Mechanische Webschiffli Fabrikation, Letten ehemals Diggelmann
Fotos
Bilder zu «Gebrüder Forster und Emil Forster AG (1920–2018)»:
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Bachtelstrasse 36, um 1898
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Motorrad Forster 140 ccm, 1921
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Motorrad Forster 140 ccm, 1924
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Motorrad Forster 200 ccm, 1926
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Motorrad Forster 250 ccm, 1939
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Emil Forster AG, Untere Bahnhofstrasse 36
Unterlagen im Archiv Ortsgeschichte
- Dokumentenarchiv: Dossier Firma Forster
Objekte
- Objekt:Barometer
- Ski hergestellt von Hermann Heusser Wernetshausen mit Certa Skibindung der Firma Gebrüder Forster (H4444)
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Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seite 2.
- ↑ Heimatspiegel. Beilage zur Regionalzeitung Der Zürcher Oberländer, Ausgabe Nr. 5, Mai 1998.
- ↑ Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seite 4.
- ↑ 4,0 4,1 Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seite 6.
- ↑ Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seite 11.
- ↑ Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seite 8.
- ↑ Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seite 13.
- ↑ Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seiten 12 und 14.
- ↑ Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seite 17.
- ↑ Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seite 10.
- ↑ Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seite 22.
- ↑ 12,0 12,1 Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seite 25.
- ↑ Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seite 34.
- ↑ Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seiten 36 bis 41.
- ↑ 15,0 15,1 Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seiten 41 und 42.
- ↑ Forster, Werner (Mai 2014): Die Firma Forster als Familienbetrieb. Illustrierte Broschüre, 49 Seiten. Erhältlich im Archiv Ortsgeschichte Hinwil. Seite 47.
- ↑ TOP HINWIL (2010): Zeitschrift für die Hinwiler Bevölkerung. Herausgegeben von der Gemeinde Hinwil. Ausgabe Nr. 202 vom 24. November 2010.
- ↑ TOP HINWIL (2010): Zeitschrift für die Hinwiler Bevölkerung. Herausgegeben von der Gemeinde Hinwil. Ausgabe Nr. 120 vom 24. Oktober 2001.
- ↑ Regionalzeitung Zürcher Oberländer, Ausgabe vom 30. November 2018.