Ortsgeschichte Hinwil: Junger Bundesstaat 1848–1874)

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Allgemeine Entwicklung

Während in anderen Orten Fabriken entstehen, dominieren in Hinwil immer noch Landwirtschaft und Heimarbeit. Es wächst daher langsamer als Orte wie Uster oder Wetzikon.[1]

Politische Lager

Friedrich Meili (1816–1878

Diese Epoche ist geprägt durch die Auseinandersetzungen zwischen zwei politischen Lagern – sowohl in Bund und Kanton als auch in Gemeinden wie Hinwil. Die beiden Lager und Hinwiler Exponenten werden in den nächsten beiden Abschnitten vorgestellt.

Die Liberalen (Freisinnige/Radikale)

Friedrich Meilis Biografie ist typisch für eine kleine Schicht, die sich in dieser Epoche durch Arbeitsfleiss, Risiko und Innovation einflussreiche Stellungen in Politik und Wirtschaft eingenommen hat. Sie nehmen nun gewisse Vorrechte in Anspruch, treten zuweilen selbstherrlich auf und verspielen dadurch das Vertrauen in weiten Teilen der Bevölkerung.[2] Das Sprachrohr der Liberalen ist die in Wetzikon gedruckte Zeitung Allmann, der nachmalige Freisinnige. Unbestrittenes Haupt der Liberalen auf kantonaler und nationaler Ebene ist damals Alfred Escher (1819–1882), der zum Teil offen, zum Teil verdeckt, die Zürcher Politik lenkt.[3]

Die Demokratische Bewegung

Familie Suter, um 1895

Auf der anderen Seite wächst die demokratische Opposition zu einer Volksbewegung heran. Sie verlangt eine neue Verfassung mit Referendum und Initiative, will die Macht des Staates begrenzen und mit Hilfe von Steuern den Wohlstand gerechter verteilen. Eine Kantonalbank soll Bauern und Handwerkern zu günstigen Krediten verhelfen.[4] Das Schweizerische Volksblatt vom Bachtel aus Wald steht den Demokraten nahe. Bekannte Verfechter der demokratischen Sache sind in Hinwil Lehrer J. Vonruf und J. Suter von Wernetshausen, Besitzer der gleichnamigen Eisenwarenfirma.[5] Das Rückgrat der Bewegung bilden jedoch die Vereine, von denen in diesen Jahren in Hinwil zahlreiche Gründungen verzeichnet sind. Besondere Bedeutung haben die Gesangsvereine, die oft von demokratisch gesinnten Lehrern geleitet werden.[6]

Jahre und Ereignisse

1850 2677 Personen wohnen in der Gemeinde Hinwil.[7]

1850 Wandel in der Textilbranche: Seit 1840 haben zwei Drittel der im Handelsregister eingetragenen Hinwiler Firmen ihre Tätigkeit eingestellt oder sind Konkurs gegangen.[1] Der Rückgang betrifft die Baumwollverarbeitung, vor allem die Handspinnerei. Dafür nimmt die Seidenverarbeitung zu. Um 1860 sind in Hinwil bis 400 Seidenwebstühle in Betrieb, «eine höchst ertragreiche Beschäftigung», wie Pfarrer Näf berichtet.[8] 44 % der Hinwiler Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft, gleich viele von der Heimarbeit. Im Gewerbe sind 9,5 % tätig und in Fabriken lediglich 2,5 %.[9]

1851 Das Primarschulhaus im Dorf wird gebaut. Treibende Kraft ist Gerichtsschreiber Friedrich Meili. Er setzt sich auch in der Gemeinnützigen Gesellschaft ein.[2]

1852 Start der Eisenwarenfabrik Suter in Wernetshausen. Johann Suter stellt im Tobel in der alten mechanischen Werkstätte von Rudolf Egli Fischbänder für Fenster, Türen und Schränke her. Die Firma beschäftigt schon bald zehn Arbeiter.[10]

Das Hinwiler Bezirksgebäude nach dem Anbau von 1854. Links die Villa Meiligut, Wohnhaus von Friedrich Meili.

1852 Der Kantonsrat erlässt ein neues Gesetz über die Grösse und Ausstattung der Bezirksgebäude. Die Kosten tragen die Standortgemeinden. Diese müssen innert vier Monaten die Finanzierung sicherstellen, andernfalls wird ein neuer Ort zum Bezirkshauptort gewählt. Das bringt die Hinwiler in Verlegenheit, denn die privaten Eigentümer ihres Bezirksgebäudes wollen die Investitionen nicht leisten.[11]

Am 26. Juni übernimmt Gerichtsschreiber Friedrich Meili für gut 8000 Franken alle Anteile des Gebäudes, das damals für etwa 20'000 Franken brandversichtert ist.[11]

1854 Der neue Besitzer lässt an das Gebäude einen Anbau mit neun Einzel- und sechs Doppelzellen sowie zwei Arbeitsräumen für die Gefangenen erstellen. Er führt das Gefängnis in der Folge wie ein eigenes Unternehmen.[11]

1855 Die beiden Baumwollspinnereien Hämig, Girenbad und Schätti, im Tobel, sind die einzigen Fabriken in Hinwil. Die Löhne betragen zwischen 55 Rappen und 1.40 Franken pro Tag. Dies bei einer täglichen Arbeitszeit von 14 Stunden.[12]

Pfarrer Arnold Näf

1863 Arnold Näf wird Pfarrer in Hinwil. Er steht der demokratischen Bewegung nahe.[9]

1865 Der Hinwiler Gemeindeverein wird gegründet und errichtet ein Jahr später eine Gewerbeschule.[5]

1869 Am 8. April stimmen die Zürcher einer neuen, demokratischen Verfassung zu. Der Anteil der Ja-Stimmen ist in Hinwil besonders hoch.[5] Bei den Nationalratswahlen stimmen die Hinwiler mit fünf zu eins für den demokratischen Kandidaten Keller aus Fischenthal. Johannes Suter kommt für die Demokraten in den Kantonsrat.[13] Gerichtsschreiber Meili zieht sich von seinem Amt zurück, bevor er sich der Bestätigungswahl stellen muss. Er richtet in seinem Gerichtshaus eine private Anwaltskanzlei ein.[12]

1870 Ein neues Fabrikgesetz will die tägliche Arbeitszeit auf 12 Stunden beschränken. Es wird abgelehnt, in Hinwil besonders deutlich. Die Arbeiter verdienten so wenig, dass sie eine Reduktion der Arbeitszeit nicht befürworten konnten.[12]

1872 In der ehemaligen Zündholzfabrik Hadlikon gründet J. Suter einen weiteren metallverarbeitenden Betrieb.[10]

Siehe auch

  • 1855 untere Sennhütte
  • 1856 Die mechanische Weberei Girenbad wird gebaut. [14]
  • 1857 Die mechanische Baumwollweberei Hadlikon entsteht. [15]
  • 1861 In der Grundstuden im Unterdorf entsteht ein Spinnereigebäude. [16]
  • 1864 Spritzenhaus Hinwil an der Oberdorfstrasse 2 erbaut
  • 1869 Schulhaus Girenbad erbaut
  • 1869 Obere Sennhütte
  • 1873 Bachtelturm aus Holz erbaut, 1890 durch Sturm zerstört
  • 1873 Beginn der Zältliproduktion durch Firma Schätti im Freihof.
  • 1873 Umzug der Sekundarschule in den Felsenhof, 1837 erbaut

Fotos

Bilder zu «Ortsgeschichte Hinwil: 11. Junger Bundesstaat (1848–1874))»:


Filme

  • Von den Dorfgemeinden zur Politischen Gemeinde (4:18)
 

Literatur

  • Brühlmeier, Markus (1995): Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. © Gemeinde Hinwil/Markus Brühlmeier. Buchverlag Druckerei Wetzikon AG. 320 Seiten. Informationen im Zusammenhang mit diesem Zeitabschnitt finden sich dort unter anderem auf folgenden Seiten: 94–97, 157–175, 182–185

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Brühlmeier, Markus (1995): Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. © Gemeinde Hinwil/Markus Brühlmeier. Buchverlag Druckerei Wetzikon AG. 320 Seiten. Seite 167.
  2. 2,0 2,1 Brühlmeier, Markus (1995): Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. © Gemeinde Hinwil/Markus Brühlmeier. Buchverlag Druckerei Wetzikon AG. 320 Seiten. Seite 185.
  3. Autorenteam (1994): Die Geschichte des Kantons Zürich. Band 3. 19. und 20. Jahrhundert. Werd Verlag, Zürich. Seite 143.
  4. Brühlmeier, Markus (1995): Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. © Gemeinde Hinwil/Markus Brühlmeier. Buchverlag Druckerei Wetzikon AG. 320 Seiten. Seiten 185 und 186.
  5. 5,0 5,1 5,2 Brühlmeier, Markus (1995): Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. © Gemeinde Hinwil/Markus Brühlmeier. Buchverlag Druckerei Wetzikon AG. 320 Seiten. Seite 186.
  6. Autorenteam (1994): Die Geschichte des Kantons Zürich. Band 3. 19. und 20. Jahrhundert. Werd Verlag, Zürich. Seite 145.
  7. Glaettli, Karl Werner (1945): 1200 Jahre Hinwil. Ergebnisse einer Flurnamensammlung. A.G. Buchdruckerei Wetzikon und Rüti. 95 Seiten. (Das Buch ist im Archiv Ortsgeschichte Hinwil erhältlich.)
  8. Näf, Arnold (1869): Geschichte der Kirchgemeinde Hinweil mit Hinweisungen auf die Umgebung. Von Arnold Näf, Pfarrer. Verlag Friedrich Schulthess, Zürich. 232 Seiten. Seite 227.
  9. 9,0 9,1 Brühlmeier, Markus (1995): Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. © Gemeinde Hinwil/Markus Brühlmeier. Buchverlag Druckerei Wetzikon AG. 320 Seiten. Seite 170.
  10. 10,0 10,1 Brühlmeier, Markus (1995): Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. © Gemeinde Hinwil/Markus Brühlmeier. Buchverlag Druckerei Wetzikon AG. 320 Seiten. Seite 202.
  11. 11,0 11,1 11,2 Brühlmeier, Markus (1995): Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. © Gemeinde Hinwil/Markus Brühlmeier. Buchverlag Druckerei Wetzikon AG. 320 Seiten. Seite 184.
  12. 12,0 12,1 12,2 Brühlmeier, Markus (1995): Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. © Gemeinde Hinwil/Markus Brühlmeier. Buchverlag Druckerei Wetzikon AG. 320 Seiten. Seite 188.
  13. Brühlmeier, Markus (1995): Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. © Gemeinde Hinwil/Markus Brühlmeier. Buchverlag Druckerei Wetzikon AG. 320 Seiten. Seite 187.
  14. Brühlmeier, Markus (1995): Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. © Gemeinde Hinwil/Markus Brühlmeier. Buchverlag Druckerei Wetzikon AG. 320 Seiten. Seite 189.
  15. Brühlmeier, Markus (1995): Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. © Gemeinde Hinwil/Markus Brühlmeier. Buchverlag Druckerei Wetzikon AG. 320 Seiten. Seite 169.
  16. Brühlmeier, Markus (1995): Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. © Gemeinde Hinwil/Markus Brühlmeier. Buchverlag Druckerei Wetzikon AG. 320 Seiten. Seite 177.
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