Reformation
Die Reformation war das zentrale kirchengeschichtliche Ereignis des 16. Jahrhunderts. In Hinwil erfolgte dieser rasante Umbruch in den 1520er-Jahren unter Pfarrer Johannes Brennwald. Die Reformation war begleitet von Täuferunruhen.
Allgemeines
Die Reformation stellt um 1520 einen beispiellosen Umbruch von Theologie, Liturgie, Institutionen, Kultur und Gesellschaft dar. Im Zürichgau ging sie von Huldrych Zwingli, Leutpriester am Grossmünster, und seinen Mitstreitern in Kirche und Rat aus.
Im Zentrum seiner Theologie steht die Gnadengerechtigkeit: Nicht die Werke, sondern der Glaube als Gabe des Heiligen Geistes machen den Menschen vor Gott gerecht. Den Reformatoren gilt die Bibel als alleinige geistliche Autorität und wird den Gläubigen in gedruckter deutscher Übersetzung zugänglich gemacht. Die Reformation geht also mit einer Medienrevolution einher. Das Gotteswort und seine Auslegung rücken in den Mittelpunkt der Glaubenspraxis und des reformierten Prädikantengottesdienstes.
Innert weniger Jahre nach Zwinglis Amtsantritt am Grossmünster erfolgten weitreichende Veränderungen: Die Heilige Messe, Prozessionen, Wallfahrten, Totenmessen und andere mittelalterliche Riten wurden abgeschafft, Klöster wurden aufgehoben, Altäre und Bildwerke aus den Kirchen verbannt, die Kirche als Landeskirche neu institutionalisiert. Die Sakramente wurden umgedeutet: Sie waren nicht mehr heilswirksam, sondern symbolische und kommunitäre Glaubenshandlungen. Das Abendmahl und die Taufe verblieben die einzigen Sakramente des reformierten Gottesdienstes, die Predigt rückte ins Zentrum.[1][2]
Reformation in Hinwil
Quellenlage: Zur Hinwiler Reformationsgeschichte liegen nur wenige Quellen vor. Unklar bleibt beispielsweise, wann genau die Altäre und Bilder aus der Kirche entfernt wurden. Gut belegt sind vor allem konfliktive Vorgänge, namentlich die Bauern- und Täuferunruhen. Diese führten ihrerseits zur Anlage des ersten Taufbuches einer reformierten Kirche.
1272 Die Kirche Hinwil ist eine seit dem 8. Jahrhundert nachgewiesene Eigenkirche des Klosters St. Gallen. Die Abtei setzt nun die Ritter der Johanniterkomturei Bubikon urkundlich als «Beistände» ein.[3] Dies ist ein erster Schritt zur späteren Übertragung der Kollaturrechte. Noch im 18. Jahrhundert gehört der Chor der Kirche der Komturei Bubikon und somit indirekt der Stadt Zürich.[4]
1519 Zwinglis Amtsantritt am Grossmünster: Beginn der Zürcher Reformation.
1521 Der aus Elgg gebürtige Theologe Johannes Brennwald, Johanniter in Bubikon, wird als Pfarrer von Hinwil eingesetzt.[5] Brennwald steht der Reformation offenbar vorsichtig offen gegenüber. Aus dieser Zeit datiert ein Kirchenurbar, das die zugehörigen Güter und Einkünfte der Kirche aufführt.[6]
1522 und 1523 Die späteren Täufer Konrad Grebel, Heinrich Aberli und Nikolaus Hottinger stören die Messe in der Kirche Hinwil, indem sie gegen den Kommunionsritus protestieren.[7]
1525 Der Hinwiler Pfarrer Brennwald fällt durch polemische Predigten gegen die Zehntenpflicht gegenüber der Kirche auf, wie ein 1526 abgefasster Bericht von Zeugen belegt.[8] Brennwald steht also der Bauernbewegung nahe.
25. April 1525 Bauernversammlung von Rüti im Beisein von Johannes Brennwald. Im nahe gelegenen Klosterdorf fordern die Bauern die Abschaffung des Zehntens und der Leibeigenschaft. Es kommt zu Tumulten und zum Klostersturm.[9]
26. April 1525 Die Bauernunruhen und Plünderungszüge sowie die Radikalisierung der Täuferbewegung bewegen Brennwald offenbar dazu, auf Distanz zu gehen. Er beklagt sich beim Landesherrn, dem Landvogt von Grüningen Rat und beim Zürcher Rat über die Anabaptisten (Wiedertäufer) unter der Führung von Jörg Cajakob (genannt Blaurock), der als Laienprediger aufgetreten sei und sich abfällig über Zwinglis Lehren geäussert habe. Daraufhin hätte Blaurock Brennwald als Antichrist und Volksverführer beschimpft und Brennwald habe aus der Kirche fliehen müssen, da sich ein Tumult erhoben hätte. Der Landvogt von Grüningen sei kurz darauf eingetroffen, und habe Blaurock nur mit Mühe verhaften können.[10][11]
- «vnd so ich in die kilchen kumm, so stat er (Blaurock) da vnd predigt, darin ich im nüts redt, bis mich dunkt in irrend, als namlich von der touf; do redt ich im darin»[12]
2. Juli 1525 Erneut kommt es zu einem Streitgespräch, als der Täufer und Sohn des Grüninger Landvogts Konrad Grebel in Hinwil ungefragt gegen die Kindstaufe predigt. Pfarrer Brennwald widerspricht vehement.[13]
3. Juli 1525 Unter dem Eindruck der Täuferunruhen legt Pfarrer Brennwald ein Taufbuch zur Registrierung aller Kindstaufen an. Dieses Dokument ist das früheste reformierte Taufbuch überhaupt. Ziel dieser Dokumentation ist die Kontrolle der Bevölkerung zur Durchsetzung der Kindstaufe, an der die Kirche Zwinglis im Gegensatz zur Täuferbewegung unbedingt festhalten möchte. Als Auflistung von Eigennamen kann das Taufbuch aber auch als Zeugnis der wachsenden Bedeutung des Individuums im Zeitalter der Renaissance gelesen werden.[14]
8. Oktober 1525 Neuerliche Predigttätigkeit der Täufer Blaurock, Grebel und Felix Manz in Hinwil. Erneut muss Brennwald nach Grüningen flüchten, bis Blaurock und Grebel verhaftet werden. Manz wird schliesslich am 31. Oktober vom Weibel von Wernetshausen im Haus von Max Pfenninger dingfest gemacht.[15]
1526 Johannes Brennwald muss sich zusammen mit drei weiteren Zürcher Oberländer Pfarrern vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, durch seine Predigten gegen den Zehnten die Bauernversammlung und den Klostersturm von Rüti mit angezettelt zu haben. Seine Kritik an Zehnten, Leibeigenschaft und sein Eintreten für die Laienpredigt hätten den Volksaufstand begünstigt.[16]
1527 Erste Hinrichtungen von Täufern in Zürich, der unter anderem Felix Manz zum Opfer fällt. Im Zuge dessen sendet der Fraumünsterkaplan Hans Syz Zwinglis Buch Von der Taufe, von der Wiedertaufe und von der Kindertaufe zusammen mit einem eigenen Gedicht gegen die Täufer an den Hinwiler Pfarrer Brennwald.[17]
1528 In der Scheune von Rudolf Michel im Oberhof versammeln sich radikalreformatorisch gesinnte Männer und Frauen zur Feier eines Laien-Abendmahls.[18]
1530 Spätestens jetzt werden Altäre und Bildwerke entfernt.[19] Nach dem Tod Johannes Brennwalds in Hinwil wird Hans Lux als neuer Pfarrer eingesetzt. Er setzt den reformatorischen Kurs im Sinne der Zürcher Obrigkeit fort, wird aber 1535 wegen Ehebruchs hingerichtet.[20]
Exponenten der Reformation aus Hinwil
Neben Pfarrer Brennwald und den Täuferführern Grebel, Manz und Blaurock sind verschiedene Personen und Familien aus Hinwil selbst aktenkundig geworden.[21]
- Müller Hans Maag aus Hinwil
- Familie Vontobel aus Hinwil
- Familie Schaufelberger vom Schaufelberg
- Marx und Hans Pfenninger, Inhaber des Girenbads, aus Wernetshausen
- Rudolf Michel vom Oberhof
- Heini und Jörg Karpfis aus dem Loch
Siehe auch
Literatur
- Brühlmeier, Markus: Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. Hinwil/Wetzikon 1995, S. 53–60.
- Egli, Emil: Actensammlung zur Geschichte der Zürcher Reformation in den Jahren 1519-1533. Zürich 1879, S. 447–448.
- Ehrensperger, Alfred: Geschichte des Gottesdienstes in Zürich Stadt und Land im Spätmittelalter und in der frühen Reformation bis 1531. Zürich 2019.
- Glättli, Karl Werner: Hinwil zur Zeit der Reformation (mit Hinweisen auf die anderen Gemeinden des Bezirkes Hinwil), in: Antiquarische Gesellschaft Hinwil. Jahrheft 22, 1949, S. 9-35.
- Glättli, Karl Werner: Hinwil zur Zeit der Reformation. II. Teil, in: Antiquarische Gesellschaft Hinwil. Jahrheft 22, 1949, S. 32-37.
- Näf, Arnold: Geschichte der Kirchgemeinde Hinweil mit Hinweisungen auf die Umgebung. Zürich 1870.
- Scheidegger, Christian: Wider die unsinnigen Wiedertäufer. Ein unbekanntes Briefgedicht von Jörg Syz an Hans Brennwald (um 1527), in: Zwingliana 39, 2012, S. 1–21.
- Sierszin, Armin: Christus im Zürioberland. 1700 Jahre Christentumsgeschichte. Bäretswil / Wetzikon 2025.
- Schmid, Michael D.: Quergebaut. Reformierte Querkirchen im Kanton Zürich. Wädenswil 2018.
- Walder, Matthias: Pfarrbiografien Hinwil. 1521–2011. (unveröffentlicht, Digitalisat im Archiv Ortsgeschichte Hinwil)
- Zürcher Denkmalpflege. 6. Bericht 1968/69. Zürich 1973.
Einzelnachweise
- ↑ Schmid, Michael D.: Quergebaut. Reformierte Querkirchen im Kanton Zürich. Wädenswil 2018, S. 22–24.
- ↑ Vgl. zu Zwinglis Theologie: Zwingli, Huldrych: Kommentar über die wahre und falsche Religion, in: Ders.: Schriften III. Zürich 1995, S. 31–452.
- ↑ Näf, Arnold: Geschichte der Kirchgemeinde Hinwil mit Hinweisungen auf die Umgebung. Zürich 1870, S. 98.
- ↑ Näf, Arnold: Geschichte der Kirchgemeinde Hinwil mit Hinweisungen auf die Umgebung. Zürich 1870, S. 98.
- ↑ Näf, Arnold: Geschichte der Kirchgemeinde Hinwil mit Hinweisungen auf die Umgebung. Zürich 1870, S. 119.
- ↑ Näf, Arnold: Geschichte der Kirchgemeinde Hinwil mit Hinweisungen auf die Umgebung. Zürich 1870, S. 99.
- ↑ Ehrensperger, Alfred: Geschichte des Gottesdienstes in Zürich Stadt und Land im Spätmittelalter und in der frühen Reformation bis 1531. Zürich 2019, S. 559.
- ↑ Egli, Emil: Actensammlung zur Geschichte der Zürcher Reformation in den Jahren 1519-1533. Zürich 1879, S. 447–448.
- ↑ Brühlmeier, Markus: Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. Hinwil/Wetzikon 1995, S. 53–60.
- ↑ Näf, Arnold: Geschichte der Kirchgemeinde Hinweil mit Hinweisungen auf die Umgebung. Zürich 1870, S. 119.
- ↑ Scheidegger, Christian: Wider die unsinnigen Wiedertäufer. Ein unbekanntes Briefgedicht von Jörg Syz an Hans Brennwald (um 1527), in: Zwingliana 39, 2012, S. 7.
- ↑ zit. nach: Ehrensperger, Alfred: Geschichte des Gottesdienstes in Zürich Stadt und Land im Spätmittelalter und in der frühen Reformation bis 1531. Zürich 2019, S. 560.
- ↑ Scheidegger, Christian: Wider die unsinnigen Wiedertäufer. Ein unbekanntes Briefgedicht von Jörg Syz an Hans Brennwald (um 1527), in: Zwingliana 39, 2012, S. 1–21.
- ↑ Brühlmeier, Markus: Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. Wetzikon 1995, S. 57–58.
- ↑ Brühlmeier, Markus: Hinwil. Alltag, Wirtschaft und soziales Leben von 745 bis 1995. Hinwil/Wetzikon 1995, S. 54–55.
- ↑ Scheidegger, Christian: Wider die unsinnigen Wiedertäufer. Ein unbekanntes Briefgedicht von Jörg Syz an Hans Brennwald (um 1527), in: Zwingliana 39, 2012, S. 9.
- ↑ Scheidegger, Christian: Wider die unsinnigen Wiedertäufer. Ein unbekanntes Briefgedicht von Jörg Syz an Hans Brennwald (um 1527), in: Zwingliana 39, 2012, S. 1–21.
- ↑ Sierszin, Armin: Christus im Zürioberland. 1700 Jahre Christentumsgeschichte. Bäretswil / Wetzikon 2025, S. 165–170.
- ↑ Zürcher Denkmalpflege. 6. Bericht 1968/69. Zürich 1973, S. 69.
- ↑ Näf, Arnold: Geschichte der Kirchgemeinde Hinwil mit Hinweisungen auf die Umgebung. Zürich 1870, S. 119.
- ↑ Sierszin, Armin: Christus im Zürioberland. 1700 Jahre Christentumsgeschichte. Bäretswil / Wetzikon 2025, S. 165–166.